Liebe Frauen, liebe alle,
als ich mich auf heute vorbereitet habe, gefühlt meine Tausendste Rede zum Thema „Gewalt an Frauen“ – Ich dachte, was soll ich Ihnen und Euch noch Anderes / Neues erzählen?
Und irgendwie mag man es kaum glauben, dass sich nichts ändert – es liegt alles auf dem Tisch, alle Zahlen, alle Fakten…aber es ändert sich nichts daran, dass Frauen Opfer von Gewalt und häuslicher Gewalt sind.
Deswegen danke ich Euch, dass Ihr laut seid.
Ich danke Euch, dass Ihr gegen die Gewalt trommelt!
#Niunamenos!
Vor über 10 Jahren als ich in den Landtag gekommen bin und das Amt der gleichstellungspolitischen Sprecherin übernommen habe – auch, weil es niemand in der damaligen Fraktion machen wollte, da war mein erstes Antrags- und Veranstaltungspaket zum Thema Zwangsheirat und sogenannte Ehrenmorde – wichtige Themen, ohne Frage, weil jedes Thema, jedes, bei der nicht Frauen selbst bestimmt und in ihrem Recht auf Unversehrtheit leben können, wichtig ist…und übrigens ist kein Thema, was die gleichen Rechte von Frauen und Männern anbelangt ein Thema, was man dann behandeln kann, wenn mal all die anderen Probleme beseitigt sind.
Kennt Ihr das? Diese Diskussion über gendergerechte Sprache zum Beispiel, wenn es dann heißt: Haben wir denn wirklich nichts Wichtigeres, über das wir reden können? Was wir lösen müssen? Lasst Euch nicht beirren. Natürlich gibt es andere wichtige Themen. Aber Sprache schafft Bewusstsein, so ist es nun mal. Und wer Frauen in der Sprache unsichtbar machen will, weil sie schlicht nicht vorkommen, der hat sicher auch nicht im Sinn, dass sie gleich viel verdienen wie Männer, dass sie einfach genau die gleiche Chance haben Chefin zu werden wie ihr Kollege Michael oder Christian.
Zurück zu meinen Initiativen im Landtag, im Zuge der Aktivitäten zu den sogenannten Ehrenmorden habe ich immer wieder die Frage gestellt, was sie denn so sehr von den sogenannten Beziehungstaten unterscheidet? Wenn ein Mann, weil ihn seine Frau verlassen hat, sie und die Kinder umbringt? (Ist verletzter Stolz weniger schlimm als verletzte Ehre?)
Tatsache ist: Wenn türkische Brüder ihre Schwester ermorden, weil sie angeblich die Ehre der Familie verletzt hat und dies in Riesen-Lettern auf der ersten Seite einer Zeitung steht, und aber gleichzeitig der Mann im wohl situierten Vorort, der seiner Familie das Leben nimmt und dies hinten in der Zeitung klein eine Notiz ist – dann wird einfach mit unterschiedlichen Maß gemessen. Vielleicht muss man sagen „w u r d e“ – denn es tut sich was in dieser Diskussion. Die Begriffe ändern sich. Endlich. In der Diskussion ist nicht mehr nur die Rede von „Beziehungstat“ – Das ist es nämlich nicht!
Endlich wird die Tat beim Namen genannt: Femizid.
Es ist ein Femizid, keine Beziehungstat und kein Familiendrama!
Corona hat viele grausame Gesichter.
Wer hat ihn nicht gesehen den Clip der Bundesregierung? In dem ein alter Mann mit melodramatischer Musik – sie erinnert an die Musik eines Kriegsfilms – von dem Winter 2020 berichtet. Und er ein Held werden konnte, einfach ein Held sein – indem er nichts tut, auf dem Sofa liegt, Cola und Chips trinkt und isst. Nein, ich erspare Euch und Ihnen jetzt näher darauf einzugehen – was für ein Schlag ins Gesicht, dieser Clip!
Ein Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte und des Klinikpersonals, die die Kranken versorgen müssen.
Ein Schlag ins Gesicht der Solo-Selbstständigen, die irgendwie versuchen zu überleben.
Ein Schlag ins Gesicht der Kinder und Jugendlichen, die demnächst eine (!) Kontaktperson in ihrem privaten Leben haben sollen. Ein fünfjähriges Kind darf sich fortan nur mehr mit einer Person treffen.
Ein Schlag ins Gesicht für Alleinerziehende mit mehreren Kindern, wenn sie demnächst überlegen muss, welches Kind sie allein lassen soll, wenn sie ihre Eltern besuchen will.
Und was für ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die zu Hause, in ihrem Zuhause, Gewalt ausgesetzt sind.
Kinder, die geschlagen werden, Frauen, die vergewaltigt werden!
Seit dem ersten Lockdown haben die Anrufe beim Hilfetelefon um 20 Prozent zugenommen. Also es gibt seit April um ein Fünftel mehr Hilfeschreie!
Gerade hat die Bundesregierung ihre neuesten Zahlen zu häuslicher Gewalt vorgestellt:
An fast jedem dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Und im Schnitt wird alle 45 Minuten eine Frau Opfer von vollendeter oder versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Gewalt ihres Partners.
Das heißt, der Ort, an dem man sich vermeintlich sicher fühlt, die eigene Wohnung , da ist Frau gefährdet.
#Niunamenos
Liebe Frauen, werdet nicht müde gegen die Gewalt, gegen die strukturelle Diskriminierung von Frauen laut zu sein, anzutanzen und zu trommeln.
#Niunamenos!
Vielen Dank an Frau.Kunst.Politik und Dr. Corina Toledo für die Veranstaltung! Und an Marion Ellen und Eva Apfl für Fotos und Video!
#Niunamenos!


