Rede zur Vernissage von Christian Deutschmann im Wasserturm

Liebe Besucherinnen und Besucher, Lieber Christian,

Zehn Prozent der Einnahmen aus dem Verkauf der Bilder gehen an Welcome Help, einem Verein, der sich um Geflüchtete kümmert. Also an einen Verein, mit einem karitativen Anliegen mit explizit politischem Hintergrund. Christian stellt seine Kunst damit in einen politischen Kontext.

Haben Sie deshalb bitte Verständnis, wenn ich diese Vernissage auch dazu nutze, den politischen Aspekt  für mich von Christians Arbeit in den Vordergrund zu stellen. Das ist aber auch meine Aufgabe, schließlich bin ich zwar kunstinteressiert aber nicht KunstSachverständige. Soviel aber habe ich in meiner Beschäftigung mit Kunst und mit vielen politischen Künstlern gelernt, Kunst steht eigentlich immer im Spannungsverhältnis mit der Gesellschaft, mit herrschenden Ideologien.

Daraus bezieht sie häufig auch ihren Impuls, die Auseinandersetzung mit dem Status Quo ist oft der Antrieb für die Künstlerin oder den Künstler. Manchmal entfaltet Kunst ihre Kraft auch ganz von alleine, weil das Publikum in einem Werk etwas entdeckt, was neu, was aufregend, was spannend ist.

Das, lieber Christian, wünsche ich Dir an dieser Stelle von ganzem Herzen.

Die Bilder sind entstanden auf Grundlage von Illustrierten aus den 20er und den frühen 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Einer Zeit, in der sich Deutschland in einem großen Umbruch befand, auf dem Weg in den Schrecken des Naziregimes und des Zweiten Weltkrieges. In der Bildenden Kunst beschäftigten sich in dieser Zeit viele Künstler wie Otto Dix oder Grosz mit sozialkritischen Themen, mit dem Krieg und seinen Schrecken, mit dem sozialen Elend. Dies taten sie mit realistischen Bildern, die der „Neuen Sachlichkeit“ zugerechnet werden, dem Stil der die Weimarer Zeit prägte. Zu dieser Zeit gab es eine ganze Reihe „Neuer“ Kunstströmungen gab, das „Neue Bauen“, maßgeblich geprägt von Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und dem Bauhaus und auch das „Neue Sehen“, als Sammelbegriff für die Ästhetik von Filmkunst und Fotografie in den 20er Jahren.

Was aber war „Neu“ an all diesen Kunstrichtungen? Ich habe keine einfache Antwort gefunden, aber ein paar Gemeinsamkeiten, die sich durch die Biographien vieler bekannter Künstler jener Jahre ziehen. Da ist zum einen die Ablehnung des großen Pathos, an dessen Stelle tritt ein Rationalismus, der Kunst als Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs sieht, der sich ein Stück auch in den Dienst der Gesellschaft stellt. Die Gesellschaft selbst wird mit offenen Blick analysiert, für mich am eindrucksvollsten in den Portraits von Christian Schad, der den Menschen immer wieder als selbstbezogenen Narziss in sozialer Isolation darstellt.

Wem jetzt automatisch Donald Trump einfällt, der folgt mir ganz intuitiv in meinen Gedankengängen.

Denn ich meine, dass sich die Situation des Menschen in der Gesellschaft in den letzten 100 Jahren nicht maßgeblich verändert hat. Aber ich bin mir sicher, dass die Karriere eines Donald Trump maßgeblich etwas mit einer Gesellschaft zu tun hat, die dem Individuum alle Freiheiten lässt, solange es sich in den Dienst der Gewinn-Maximierung stellt.

Dann darf man auch per twitter den Krieg ausrufen, solange dieser Krieg der – in Anführungszeichen „gerechten Sache“ dient. Die Weimarer Zeit ist eine Phase der rapiden Ideologisierung der Gesellschaft. An die Stelle von ethischen, oft auch christlichen Überzeugungen, treten Rassismus und Nationalismus, Totalitarismus und Militarismus. Und auch wenn die historischen Ausgangsbedingungen heute ganz anders sind, trotzdem erleben wir wieder einen kaum zu glaubenden Siegeszug von Nationalismus, von Rassismus, von Militarismus. Und wenn wir nach Ungarn oder Polen blicken, aber auch in die USA, dann sehen wir, dass der Rechtsstaat abermals in Gefahr ist.

Dazu gehört in meinen Augen auch, dass wir mit der Neufassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in Bayern den Rechtsstaat ganz schön weit zu Grabe tragen. Und glauben Sie mir, im Landtag ist eine Diskussion darüber kaum mehr möglich. Wenn die Opposition – die sich ja endlich – bei der ersten Reform letzten Jahres stand ich da alleine da – fast einig in der Ablehnung des sogenannten PAGs. Also, wenn da jemand das Wort ergreift, und die Bewahrung des Rechtsstaates einklagt oder dass man die Sicherheit eben nicht durch Aufgabe der Freiheit erkaufen kann, dann bekommt man von der CSU als Antwort nurmehr den Ruf nach mehr Sicherheit.

Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, dass wir den Blick wieder auf die Gesellschaft richten. Dabei kann uns die Kunst helfen, dazu tragen die Bilder von Christian bei, die den Blick auf eine künstlerische Epoche werfen, die sich vor ähnlichen Herausforderungen gestellt sah, wie wir heute.  Natürlich ist die Bundesrepublik der jetzt kommenden 20er Jahre nicht die Weimarer Republik der letzten 20er Jahre. Aber die Gegner sind die gleichen. Sie heißen Ignoranz, Menschenverachtung und Machtmissbrauch. Ich freue mich, wenn Kunst, wenn Künstler dagegen das Wort oder auch den Pinsel ergreifen, und wünsche Dir lieber Christian in diesem Sinne noch viel Farbe.